Das Corps – Geschichte
Unsere Thuringia wurde am 17. Juni 1908 als Sängerschaft gegründet. Nach einer wechselvollen Geschichte stiftete die Altherrenschaft der Sängerschaft Thuringia gemeinsam mit der Heidelberger Fraktion des Corps Rheno-Nicaria am 17. 8. 1976 das zunächst verbandsfreie Corps Thuringia.
Seit 1995 ist Thuringia Mitglied im Weinheimer Senioren Convent (WSC). Das Corps Thuringia ist heute eine Korporation mit großer innerer Geschlossenheit. Die überdurchschnittlich rege Teilnahme der Alten Herren am Leben der Aktiven auf dem Haus zeugt von der ungebrochenen Kraft des generationsübergreifenden Lebensbundprinzips– getreu unseres Wahlspruchs
„Einig, furchtlos und treu!“
Thuringia wurde am 17. Juni 1908 als Sängerschaft gegründet. Sängerschaften als Korporationen mit musikalischer Zielsetzung entwickelten sich im 19. Jahrhundert aus den akademischen Gesangsvereinen. Die Pflege der Musik war bewußter Rückgriff auf die alle Deutschen über vielerlei Grenzen hinweg verbindenden kulturellen Traditionen. Schwärmerische Romantik und politische Zielsetzung gingen dabei Hand in Hand.
In Heidelberg existierte bis zu unserer Gründung keine Sängerschaft. Daher unternahmen die altgedienten Sängerschafter Dr. Henry Bußmann (Guilelmia Greifswald), Gerlach und Uderstadt (beide Alt-Wittelsbach München) den Versuch, diesen Korporationstyp auch in Heidelberg zu etablieren. Im Juni 1908 wurden die ersten offiziellen Schritte eingeleitet. Ein Vertreter wurde zum Bundestag des Weimarer CC (damaliger Dachverband farbtragender und schlagender Sängerschaften) nach Weimar gesandt, der am 10. Juni beschloß, in Heidelberg eine Sängerschaft zu gründen. Als Name wird Thuringia (Bezug auf Weimar) gewählt, als Farben schwarz-karmesinrot-weiß. Die Öffentlichkeit nimmt erstmalig am 17. Oktober 1908 anläßlich des Publikationsfests im „Prinz Friedrich“ in der Kettengasse von der neuen Verbindung Notiz.
Die Jahre zwischen 1908 und 1914 waren eine erste Blütezeit des Bundes. Thuringia suchte und fand seinen eigenen Stil, gleichermaßen geprägt durch die Pflege der waffenstudentisch-korporativen Idee wie auch die musikalische Bildung. Der Ausbruch des ersten Weltkriegs traf die junge Verbindung härter als andere. 1916 waren von 56 Thüringern 45 eingezogen. Elf fielen, 27 wurden verwundet.
Die Zwischenkriegszeit brachte mit der Inflation drückende Sorgen. Vom Holz zum Heizen bis zum Bier konnte man das Aktivenleben nur durch Spenden bestreiten. Dennoch entwickelte sich Thuringia bis zum Ende der zwanziger Jahre personell gut. Das Ende kam jäh, wenn auch vorhersehbar.
Der Prozeß der politischen Radikalisierung der Studentenschaft und die Zuwendung der Korporationen zu den Ideen des Nationalsozialismus in der späten Phase der Weimarer Republik machte auch vor der Sängerschaft Thuringia nicht Halt. Der Nationalsozialismus war couleurfähig geworden. So wurde auch die Machtergreifung 1933 nicht als großes Übel verstanden, sondern als Aufbruch aus den Zumutungen und Demütigungen seit Kriegsende 1918. Auch antisemitische Positionen und SA-Mitgliedschaften unter den studierenden Thüringern sind in Quellen nachweisbar. Nein, man findet uns nicht im Widerstand. Der totalitäre Staat duldete keine eigenständigen studentischen Gruppierungen mehr außerhalb des NSDStB (Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund). Die Korporationen saßen in der Falle, die sie mit gestellt hatten. Im Jahr 1935 wurden sie gegen Ihren Willen aufgelöst und in sogenannten Kameradschaften zusammengeschlossen. Bezeichnenderweise beheimatete unser heutiges Corpshaus die Kameradschaft „Karl Friedrich Friesen“. Das bunte studentische Leben war erloschen. Opposition oder offene Kritik gegen die nationalsozialistische Politik mit Gleichschaltung und Judenverfolgung ist in den noch zugänglichen Quellen Thuringias nicht belegbar. Ebenso wenig dokumentiert ist der Umgang der Korporation mit ihrem jüdischen Bundesbruder Bauchwitz. Es muß jedoch angenommen werden, dass sich Thuringia der gängigen Praxis, die jüdischen oder jüdischstämmigen Mitglieder auszuschließen, in irgendeiner Form angeschlossen hat. Aus der Kriegszeit und der frühen Nachkriegszeit selbst ist wenig überliefert. (Anmerkung: Es ist belegt, dass Bauchwitz den Krieg als Arzt in Südamerika überlebte. In den 50er Jahren besuchte er nachweislich Heidelberg und die Thuringia. Seine alte Verbindung erhielt von ihm großzügige finanzielle Zuwendungen, insbesondere zur Förderung der Mensur).
1947 ging es an den Wiederaufbau. Vor dem zweiten Weltkrieg gab es 177 Thüringer. Davon waren 28 gefallen, elf wurden vermißt und 28 wohnten in der sowjetischen Besatzungszone. Nach anfänglich hoffnungsvoller Entwicklung sanken die Aktivenzahlen in den 60er Jahren. Thuringia mußte erstmals WS 1969/70, dann nochmals zum SS 1974 den Aktivenbetrieb einstellen. Die Verbindung war suspendiert. Die Zukunft war düster.
Im Sommer 1976 kam es zu Gesprächen mit Angehörigen des Corps Rheno-Nicaria im Weinheimer Senioren Convent (WSC). Dieses Corps war sowohl in Mannheim als auch in Heidelberg vertreten und wollte seinen Aktivenbetrieb nach Mannheim ausrichten. Dagegen sträubte sich die Heidelberger Fraktion der Rheno-Nicaren. Das Ergebnis war eine „Dokumentation zur Gründung des Corps Thuringia vom 17. 8. 1976“. Thuringia wurde Corps und blieb zunächst verbandsfrei. Unverzichtbare Prinzipien wurden das Lebensbund-, Toleranz-, Convents-, Couleurprinzip sowie das Bekenntnis zum Waffenstudententum. Farben, Mütze, Wappen und Traditionsgründungsdatum wurden von der Sängerschaft Thuringia übernommen.
Seit 1995 ist das Corps Thuringia Mitglied im Weinheimer Senioren Convent (WSC). Das Corps Thuringia ist heute eine Korporation mit großer innerer Geschlossenheit. Die überdurchschnittlich rege Teilnahme der Alten Herren am Leben der Aktiven auf dem Haus zeugt von der ungebrochenen Kraft des generationsübergreifenden Lebensbundprinzipsgetreu unseres Wahlspruchs:
„Einig, furchtlos und treu!“